Wer darf was in der EU?

Wer darf was in der EU?

Zur Durchsetzung der Kapitalinteressen in den Institutionen der Europäischen Union

 

Für die propagandistische Behandlung der Europa-Frage muß es vorerst noch sein Bewenden dabei haben, daß wir in allgemeiner Formulierung bei sich bietenden Anlässen zum Ausdruck bringen, unser Ziel sei die Schaffung einer gerechten Neuordnung, die den europäischen Völkern eine gesichterte Existenz in enger wirtschaftlicher und kultureller Verbundenheit und unter Ausschaltung fremder Bevormundung ermöglichen werde. Auf die politische Struktur des künftigen Europa näher einzugehen, kommt bis auf weiteres nicht in Frage. Wollte man hierfür Grundsätze bekanntgeben, so müßten diese, um werbend zu wirken, den Wünschen der Völker nach einer möglichst selbstständigen und unabhängigen Staatlichkeit entgegenkommen und in dieser Hinsicht Versprechungen enthalten, während schon heute gewiß ist, daß eine Sicherung des künftigen Europas gegen Bedrohungen von außen gerade umgekehrt Beschränkungen der Unabhängigkeit und Opfer jedes einzelnen Landes erfordern wird. Die komplizierte staatliche und völkische Struktur Europas schließt es zudem aus, in dieser Hinsicht für alle Länder Europas gültige Grundsätze aufzustellen. Wir müssen uns deshalb vorerst noch darauf beschränken, den verschiedenen Völkern in Aussicht zu stellen, daß jedes von ihnen im künftigen Europa den ihm gebührenden Platz finden würde. Von jeder Vertiefung der Diskussion über diese Fragen ist jedoch ganz allgemein abzusehen.”i

Diese Orientierung zur Propaganda für “Europa” stammt aus der Feder des faschistischen Außenmnisters Joachim von Ribbentrop, vom April 1943. Den Fachleuten des Monopolkapitals wird – nach der verlorenen Schlacht bei Stalingrad gerade klar, dass es an der Zeit ist, Perspektiven für die Zeit nach dem Krieg zu entwickeln. Und getreu seiner Rolle als Organisator und Instrument der reaktionärsten Kreise des Monopolkapitals organisiert der faschistische Staat einen Arbeitskreis zu europäischen Fragen.

Dem liegt ökonomisch zugrunde, dass der Drang des Monopolkapitals nach Kapitalexport und die Verbindung des Kapitals mit dem Staat (Stichwort staatsmonopolistischer Kapitalismus) die Aufteilung der Welt unter die Monopole und damit unter die Großmächte zur Notwendigkeit machen. Für den deutschen Imperialismus heißt das – da er keine Kolonien mehr für den Kapitalexport nutzen konnte, direkt in seinem Umfeld Land gewinnen zu müssen. Das erklärt seine historisch besondere Aggressivität.ii

Das drückt sich politisch aus in dem, was man “europäische Integration” nennt. Sie ist der Mechnaismus, mit dem das deutsche Kapital und sein Interessenvertreter, der deutsche imperialistische Staat, einen Ring von Staaten um sich schafft, unter denen die Grundlagen der staatsmonopolistischen Regulierung (meint “Wirtschaftspolitik” unter den Bedingungen des Imperialismus) vereinheitlicht werden können. Dabei wird – und hier schließen wir wieder an Ribbentrop an, dieser Mechanismus abgesichtert gegen außen: also gegen die imperialistischen Konkurrenten, als auch nach innen, gegen die Arbeiterklassen in Europa und gegen die Souveränitätsbestrebungen nationaler Befreiungsbewegungen in der Peripherie.iii

Der Versuch des heutigen Abends ist es, zu zeigen, wie dieser Mechanismus sich historisch entwickelte und wie er heute funktioniert. Dabei wird sich vor allem auf den deutschen Imperialismus bezogen. Auch andere, zB der französische, setzen ihre Interessen über die Mechanismen der EU durch. Diese Wechselwirkungen wären an dieser Stelle aber zu komplex.iv

Bereits 1949 wurde der erste “Europarat” aus den damals zehn europäischen Staaten gebildet. Für den durch Adenauer vertretenen deutschen Imperialismus war dies vor allem eine Möglichkeit zur weiteren Westbindung (ohne sich dabei zu sehr von den USA abhängig zu machen). Damit konnten aber gleichzeitig Bestrebungen zu antifaschistisch-demokratischen Umwälzungen, vor allem in Frankreich und Italien begegnet werden. Im Jahr 1950 beschloss der Bundestag die Aufnahme der BRD in den Europarat gegen die Stimmen der SPD und der KPD. Begründet wurde dieser Schritt vor allem mit der “kommunistischen Gefahr”. Ökonomisch wurden zur Koordinierung der französischen und westdeutschen Kohle-, Eisen-, und Stahlindustrie zu einer Montanbehörde zusammengefasst.v

In eben dieser Montanunion wurden dann die führenden Gewerkschafter integriert, so dass sie ihren Widerstand unter anderem gegen die Remilitarisierung aufgaben,vi und sich die Widersprüche zwischen den arbeiterorientierten Gewerkschaften im Weltgewerkschaftsbund und den sozialpartnerschaftlichen im Weltbund freier Gewerkschaften vertieften.vii Aber auch dazu müssen die Gewerkschaften einen “beratenden Ausschuss” durchsetzen, der keine echten Möglichkeiten zur Einflussnahme hat. Aber selbst dort haben die Vertreter der Gerwerkschaften 1/3, die Kapitalseite 2/3 der Sitze.viii

Auch die formale Leitung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die sogenannte Hohe Kommission wird durch die Regierungen einvernehmlich gewählt.ix Gleichzeitig hat diese aber die Befugnis, Entscheidungen, Empfehlungen oder Stellungnahmen für die Kohle- und Stahlproduktion der entsprechenden Staaten zu erarbeiten.x

Diese geht zwar 1957 in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft über,xi ist demnzufolge für unsere heutigen Interessen nicht mehr direkt bedeutsam, zeigt aber eine grundsätzliche Vorgehensweise des Kapitals: Unter den Bedingungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus kommt dem bürgerlichen Staat im besonderen Maße die Aufgabe der Kapitalmobilisierung zu: er muss zur Anschubfinenzierung bzw zur Modernisierungsoffensive Gelder bereitstellen.xii Diese fehlen naturgemäß an anderer Stelle und um sie entbrennt ein Kampf zwischen den demokratischen, antimonopolistischen Kräften und den entsprechenden Kapitalfraktionen. Dadurch gewinnen ökonomische Kämpfe im Stamokap ihren politischen Charackter.

In der Folge wurden in “Europa” vor allem solche Kräfte benötigt, die demokratischen Interessen nicht nur ökonomischen, sondern auch politischen Widerstand durch die Auslagerung nach “Europa” entgegensetzten. Dieses Programm wurde für Adenauer verbindlich: Die Adenauer-Partei und die Adenauer-geführte Regierung schickte in den EWG-Apparat stets solche Exponenten der Monopolpolitik, die neben der wirtschaftlichen Integration vor allem die politische Integration förderten und allesamt mit den großen Konzernen und Bankgruppen der Bundesrepublik verbunden waren.” analysierte Fritz Rische in den 1970er Jahren in einem Sammelband zur “Arbeiterklasse und EWG”.xiii Damit wird der enge Zusammenhang zwischen ökonomischer und in der Folge politischer Einflussnahme verdeutlicht.

Nun schafft sich der bürgerliche Staat bzw ein Bündnis von bürgerlichen Staaten eine Struktur, die nicht dem Druck unterliegt, gewählt werden zu müssen, da es nicht die Bürger sind, die diese Kommissionen wählen, sondern die entsprechenden Stellen im Staatsapparat. Wird von hier aus das Geld verteilt, (und die Hohe Kommission wird mit entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet um die Umstrukturierungen zu finanzierenxiv), gerät der bürgerliche Politikbetrieb immer weniger unter den potentiellen Massendruck nichtmonopolistischer Schichten und kann sich für autoritärere Bestrebungen sogar eine Massenbasis schaffen, indem er diesen Zustand demokratischer Entmündigung sogar noch in der Form kritischer Apologie zur Demagogie nutzt.xv

Folgerichtig steht heute im Programm der DKP zur EU-Wahl: “Die Politik der EU steht für Sozialkürzungspolitik, Privatisierung öffentlichen Eigentums, finanzielle Erdrosselung der Kommunen.”xvi Gleichzeitig werden Kämpfe dagegen, wie sie die DKP mit dem Sofortprogramm organisieren und führen will, behindert.xvii

Mit der Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und des damit verbundenen gemeinsamen Marktes erhält die BRD damit Zugang zu den Märkten der Kolonialmacht Frankreich. In der Folge der ökonomischen Durchdringung dieser Staaten mit europäischem und das heißt vor allem deutschem und französischem Kapital sind diese dann sehr schnell auch zu Assoziierungsabkommen mit der EU bereits, als man aufgrund der nationlen Befreiungsbewegungen vom Kolonialismus zum Neokolonialismus übergeht.xviii

Nun könnten Internationalisten, Kommunisten, linke Gewerkschafter – also deutsche KPD´ler, britische TUC-Mitglieder, französische CGT-Funktionäre oder CGIL-Mitglieder aus Italien, sich dieser Ausbeutung entgegenstellen, nur wurde zum einen die Spaltung der Gewerkschaftsbewegung vertieft, zum anderen werden mit der Gründung der EWG 1957 ein Wirtschafts- und Sozialausschuss gebildet, der noch weniger Rechte erhält als der beratende Ausschuss zuvor, in den folgenden Jahren werden dann gebildet: der Ausschuß des Europaischen Sozialfonds, der Ständige Ausschuß für Beschäftigungsfragen, der Beratende Ausschuß für Berufsausbildung, der Beratende Ausschuß für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Beratende Ausschuß für die sozialen Probleme der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer usw. Ihnen allen ist gemein, dass sie keine Selbstverwaltung haben, keine autonome Entscheidungsmacht und keine Gesetzgebungsrechte. Sie haben keinen Einfluss auf das eigentliche Machtzentrum: den Ministerrat.xix

Das Kapital hat aber diesen Einfluss: Innerhalb der EWG-Strukturen und auch inerhalb der staatsmonopolistische Apparate können Strategien der Investition, des Lohns, der Preisstrategie entwickelt werden.xx

Nach dem Scheitern des ersten Versuchs der Bildung einer Europäischen Verteidgungsgemeinschaft 1954 unterzeichnet die BRD 1955 die Priser Verträge und wird Mitglied der NATO, ein weiterer Schritt zur Remilitarisierung ist getan.xxi Die ist aber weiterhin nicht populär. So kommt 1957 die Unterzeichnung der Römischen Verträge passend: sie enthält eine Rüstungskooperation und mit der EURATOM die, von ultrarechten Kräften wie Franz-Josef Strauß geforderte Möglichkeit an Atomwaffen zu gelangen.xxii Gleichzeitig wird der oben bereits erwähnte Ministerrat geschaffen: Die Fachminister der Mitgliedsländer bzw deren Vertreter. Hier wird der Charackter des geschaffenen Gebildes am besten deutlich: Es sind die Vertreter imperialistischer Staaten, die sich im Interesse der nationalen Kapitale bzw besonders dvon deren Monopole zusammenschließen. Dem wird mit der europäischen Kommission noch ein Exekutivorgan hinzugefügt: die europäische Kommission. Diese kann zwar eigenständig Gesetze erarbeiten, diese aber ohne den Ministerrat nicht umsetzen.xxiii

Diese Schrittmacherrolle bei der Militarisierung im Hinterkopf beschreibt die DKP heute: Gleichzeitig drängen die führenden EU-Länder Deutschland und Frankreich auf die Bildung einer EU-Armee. Damit verbunden wären nicht zuletzt die Aushebelung der nationalen Parlamente bei der Zustimmung zu Auslandseinsätzen.”xxiv

Im Zuge der ökonomischen Krise ab 1965/66 bricht der Versuch ab, die bisher erfolgreiche Strategie, schlicht immer mehr Kompetenzen an die obere Ebene abzugeben, weiterzuführen.xxv Es wurde die Rolle des Ministerrates (also der staatlichen Akteure) gegenüber der Kommission gesträkt.xxvi So kann die Kommission, der zwar formal verschiedene Fonds unterstehen: Europäischer Ausgleichs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Sozialfonds, Europäischer Währungsfonds und die formal die Möglichkeit hat, Entscheidungen des Ministerrates vorzubereiten. Tatsächlich haben sie keine Möglichkeit realer Einflussnahme.xxvii

Dabei werden nun EWG, EURATOM und EKGS in den Organen der politischen Umsetzung: den Exekutivorganen zusammengelegt. Diese unterstehen aber dem bewährten Dualismus als Ministerrat und Kommission. Zeitgliech wird das europäische Parlament geschaffen. Das hat aber mit der Funktion eines Parlaments, dieser Exekutive die gesetzliche Grundlage zu geben (Legislative) nichts zu tun. Selbst zu einer effektiven Kontrolle ist es nicht fähig.xxviii

Neben den offiziellen Gremien schafft sich das Kapital aber auch inoffizielle Gremien, so die Treffen der sogenannten ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten. Diese organisieren den in Brüssel äußerst mächtigen bürokratischen Apparat und die entsprechende Rückkoppelung mit den nationalen Apparaten.xxix Gleichzeitig sind dennoch zur Kompromissfindung Treffen der Staats- und Regierungschefs vonnöten. Das erste fand 1967 statt.xxx

Mit der Bildung gewisser Organisationen, wie der Wirtschafts- und Währungsunion 1969 werden gegenüber den Staaten – scheinbar, denn sie setzen diese Union ja ein, Sachzwänge geschaffen. Diese gelten auch gegen imperialistische Konkurrenten, wie gegen die USA.xxxi Stehen diese erst einmal in den Verfassungen der EU oder der Mitgliedsländer lassen sich dagegen demokratische Veränderungen nur sehr schwer organisieren.

Neben der offenen Verlagerung wird hier nun ein zweiter Schritt organisiert: Die Staats- und Regierungschefs schaffen sich mit der EU ihre eigene Legitimationsinstanz gegenüber demokratischen Bestrebungen. Aufgrund zunehmender Unruhen und des demokratischen Aufbruchs 1968 war man gezwungen, dem ganzen eine demokratischere Oberfläche zu geben. Man schuf das Europäische Parlament. Das dient aber lediglich der Show. Es hat keinerlei von den demokratischen Kräften nutzbaren Einfluss.

Zu diesen Vorgehensweisen und der politisch-ökonomischen Funktion zwei historische Beispiele:

  • 1972 wird der europäische Wirtschaftsfonds gegründet, dessen wesentliche Aufgabe darin besteht, im Zuge der weiteren Verschärfung der ökonomischen Krisexxxii die Lasten auf die Bevölkerungen abzuwälzen.xxxiii

  • 1973 gründete der Ministerrat ein “Heiratsbüro”, dass gezielt die Kontakte zwischen Kooperations- und Verschmelzungswilligen Konzernen herstellte. Auch hier gab es keine gewerkschaftliche Mitbestimmung, das Büro untersteht dem Ministerrat.xxxiv

  • Anfang der 70er Jahre senkt Dänemark als erstes und beinahe einziges Land seinen Rüstungshaushalt. In der Folge drängt auch die SPD zu einem Ausbau der militärischen Integration. xxxv Das funktioniert über die direkte Zusammenarbeit der sogenannten Euro-Group innerhalb der NATO. xxxvi Die demokratische Entscheidung der dänischen Bevölkerung wird ausgehebelt. Die Regierung, allen voran aber der militärisch-industrielle Komplex erhalten den Zugang zu Ressourcen, den sie gefordert haben.

Ein zeitlicher Sprung in das Jahr 2001: Nach den 90er Jahren wird die europäische Union – berechtigterweise wird diese mit Deregulierungen und anderen Angriffen auf die Lebenshaltung der Werktätigen assoziiert. Als neue ideologische Offensive wird sowohl eine Verfassungsdebatte über die “europäischen Werte” geführt als auch der europäische Konvent eingeführt.xxxvii Im Jahr darauf wird die Zusammenarbeit mit der NATO per Abkommen festgeschrieben. Es werden mit einem militärpolitischen Komitee, einem Militärausschuss und einem Militärstab weitere militärische Organisationsstrukturen geschaffen, die wieder dem Ministerrat unterstehen. Sollten diese militärisch aktiv werden, fällt damit der selbst für bürgerlicher Demokratien prägende Parlamentsvorbehalt gegenüber militärischen Einsätzen. Im Rahmen dieser GSVP – der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik finden derzeit Einsätze in Ex-Jugoslawien und in den ehemaligen französischen Kolonien in Afrika statt.xxxviii

Der erst Verfassungsentwurf: aus dem Jahr 2004 zeichnete sich dann auch prompt durch die “Tendenz zur Zentralisierung und Straffung” aus. Die Präsidentschaft sollte abgeschafft werden, es werden nicht mehr alle Staaten in der EU-Kommission vertreten sein, Europol wird zu einer Unionseinrichtung und es wird eine Rüstungsagentur gegründet. Der Rat bleibt Gesetzgebungsorgan und Kontrollbehörde. Im Maastricht-Vertrag wurde bereits festgeschrieben, dass “die Mitgliedsstaaten [sich] verpflichten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu erhöhen.”. Es ging dabei um die machtpolitische Sicherung des Einflusses der großen Gründungsstaaten gegenüber den kleineren, die dazu kommen.xxxix

Die DKP fasst dies 2019 in ihrem Wahlprogramm so zusammen: Die Rechte nationaler Parlamente sind ausgehebelt und die nationale Souveränität der Mitgliedsländer wird immer weiter eingeschränkt. Länder, die sich dem Sparzwang der EU und ihren Regeln widersetzen, werden – wie zuletzt Italien – sanktioniert und mit Strafverfahren erpresst.”xl

Mit dem 2007 geschaffenen Vertrag von Lissabon wurde der GASP – der gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik ein hoher Beamter als Vorsitz eingesetzt. Dieser verfügt über einen europäischen auswärtigen Dienst, in dem sowohl Beamte des EU-Ratssekretariats als auch Diplomaten der Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten. Anders als in anderen Bereichen der Diplomatie gibt es hier keine Trennung von ziviler und militärischer Zusammenarbeit. Die NATO – und die militärisch-industriellen Komplexe der starken europäischen Staaten, vor allem Deutschland und Frankreich sitzen an jedem Verhandlungstisch. Hierbei wurde – nach der Verkleinerung des Ministerrats, so dass größere Mitgliedstaaten mehr Einfluss gewinnen, ein machtvolles außenpolitisches Instrument geschaffen, zu dem selbst einige kleinere Staaten keinen Einfluss gewinnen.xli

Auch auf ökonomischem Gebiet findet diese Kontrolle statt: der 2012 vor allem zur ökonomischen Ausplünderung Griechenlands gebildete Europäische Stabilitätsmechanismus wird weder durch das europäische Parlament, noch durch die Zentralbank kontrolliert, es entscheidet allein der Ministerrat.xlii

Mitte der 1970er Jahre beschrieb Fritz Rische einen möglichen Weg zur Demokratisierung der EU: Die EG-Strukturen unter demokratische Kontrolle zu bringen, macht eine Änderung der römischen Verträge erforderlich. In den Bereichen der Machtstruktur ist nämlich die autokratische Herrschaft von EG-Technokraten im Auftrage der Monopole direkt und indirekt spürbar. Diese Technokraten stützen sich auf die undemokratischen Bestimmungen der Römischen Verträge.”xliii

Eine Demokratisierung, sprechen Kommunisten davon, meint die Durchsetzung des Demokratie-Begriffs- und Inhalts des arbeitenden Volkes gegen den der Monopole. Dazu muss die bisherige uns entgegengesetzte Maschinerie zerschlagen, zerbrochen, zerstört werden.xliv

Inhaltlich ist also “Nein zur EU” und ihre Ersetzung durch eine der objektiven Integration entsprechenden demokratischen Struktur an die Erkämpfung antimonopolistischer Übergänge in den Einzelstaaten geknüpft. Diese EU kann, das ist das Fazit dieser Untersuchung, nur zerschlagen werden. Eine Demokratisierung ist nicht möglich.

Kurt Baumann

Endnoten

iJoachim von Ribbentrop: Verfügung über die Bildung eines Europa-Ausschusses im Auswärtigen Amt nebst Richtlinien für dessen Arbeit, Feldquartier den 5. April 1943, Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Film 5842, zit. n.: Reinhard Opitz (Hrsg.): Europastrategien des deutschen Kapitals, Köln 1977, S. 954-956, hier S. 956.

iiEugen S. Varga. Die historischen Wurzeln der Besonderheiten des deutschen Imperialismus, Berlin-Leipzig 1946, zit. n. Institut für internationale Politik und Wirtschaft der DDR (Hrsg.): E. S. Varga: Ausgewählte Schriften 1918-1964, Berlin 1979, Band 1: Der Beginn der allgemeinen Krise des Kapitalismus, 427-456.

iiiJörg Goldberg: Was ist Integration?, in: Fritz Rische (Hrsg.): Arbeiterklasse und EWG, Frankfurt am Main 1974, S. 7-25. Die Politische Orientierung entnehmen wir, wie auch Goldberg bei Lenin: “Vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialismus, d. h. Des Kapitalexports und der Aufteilung der Welt durch die “fortgeschrittenen” und “zivilisierten” Kolonialmächte, sind die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Bedingungen entweder unmöglich oder reaktionär.” Denn: “Vereinigte Staaten von Europa sind unter kapitalistischen Bedingungen gleichbedeutend mit Übereinkommen über die Teilung der Kolonien.” “Natürlich sind zeitweilige Abkommen zwischen den Kapitalisten und zwischen den Mächten möglich. In diesem Sinne sond auch die Vereinigten Staaten von Europa möglich als Abkommen der europäischen Kapitalisten … worüber? Lediglich darüber, wie man gemeinsam den Sozialismus in Europa unterdrücken, gemeinsam die geraubten Kolonien gegen Japan und Amerika verteidigen könnte.”, Vgl. W. I. Lenin: Über die Losung der vereinigten Staaten von Europa, in: Sozial-Demokrat, Nr. 44/23. August 1915, zit. n.: IML (Hrsg.): Lenin-Werke, Berlin 1960, S. 342-346, hier S. 343, 344, 345.

ivIn seiner polit-ökonomischen Herleitung PV der DKP (Hrsg.): Die Kommunisten und das Europa der Monopole, Essen 2018.

vFritz Rische: Zur Europa- und EWG-Politik der CDU/CSU, in: Rische: Arbeiterklasse und EWG, S. 121-138, hier S. 123/124.

viGünther Judick, Josef Schleifstein, Kurt Steinhaus: Zu einigen Fragen der Nachkriegsgeschichte der KPD, in: dies. (Hrsg.): KPD 1945-1968. Dokumente, Neuss 1989, Band 1, S. 85.

viiWolfram Elsner: Gewerkschaften und EWG, in: Rische: Arbeiterklasse und EWG, S. 139-159, hier S. 141.

viiiEbenda, S. 147.

ixAndreas Wehr: Die europäische Union (Reihe Basis-Wissen), Köln 2018, S. 24.

xHohe Kommission, in: Bundeszentrale für politische Bildung (BpB), unter http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-europalexikon/177049/hohe-behoerde, abgerufen am 13.05.2019.

xiWehr: europäische Union, S. 25

xiiRudi Gündel, Horst Heininger, Peter Hess, Kurt Zieschang: Zur Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus (=Schriften des Zentralinstituts für Wirtschaftswissenschaften bei der DAW, Band 22), Berlin 1967. Andreas Wehr, Beate Landefeld, Gretchen Binus: Staatsmonopolistischer Kapitalismus, Köln 2015.

xiiiWehr: europäische Union, S. 126.

xivEbenda, S. 36.

xvPhillip Becher: Rechtspopulismus, Köln 2013. Der Begriff kritische Apologie wird hier in der Bedeutung einer scheinbaren, letzten Endes in die Kanäle herrschender imperialistischer Politik zurückführbaren Kritik nach Georg Lukacs in der Vorbereitung des VII. Weltkongresses der kommunistischen Internationale gebraucht. Der Begriff der Demagogie nach dem Referat von Georgi Dimitroff auf diesem Weltkongress. Als aktuelles Beispiel sehe man sich die schein-Kritik der AfD an der EU an, Vgl. UZ vom 17.05.2019.

xviParteivorstand der DKP (Hrsg.): Programm der DKP zur EU-Wahl 2019, Essen 2019, S. 3.

xviiFür Frieden, Arbeit, Solidarität! Sofortforderungen der DKP, in: Ebenda, S. 11-14.

xviiiKarl Unger: Die EWG und die Entwicklungsländer, in: Rische: Arbeiterklasse und EWG, S. 65-75, hier S. 66/67.

xixElsner: Gewerkschaften, S. 147-149.

xxLandefeld, Was macht eigentlich die Bourgeoisie? Reihe MASCH-Skripte, online beim Neue Impulse Verlag zu finden, Beate Landefeld: Europäisiert sich die Bourgeoisie? Beitrag auf dem Seminar der Marx-Engels-Stftung “EU: Welche Alternative?”, Wuppertal 2009, abrufbar unter http://www.marx-engels-stiftung.de/Texte/belan.pdf , Elsner: Gewerkschaftem S. 150.

xxiWehr: europäische Union, S. 26-28.

xxiiEbenda, S. 35.

xxiiiEbenda, S. 33-35.

xxivProgramm zur EU-Wahl, S. 5.

xxvK.-H. Werner: Zur Entwicklung des institutionellen Systems der EWG. Beitrag auf dem internationalen Symposium “ökonomischer und politischer Mechanismus der kapitalistischen Integration”, Berlin, Juni 1973, in: Rische: Arbeiterklasse und EWG, S. 53-64, hier S. 54.

xxviEbenda, S. 54/55.

xxviiEbenda, S. 56.

xxviiiWehr: europäische Union, S. 37/38.

xxixWerner: Entwicklung, S. 55.

xxxEbenda.

xxxiEbenda, S. 56.

xxxiiWilli Gerns: Kapitalismus in der Krise, Frankfurt am Main 1974.

xxxiiiFritz Rische: Zur Europa-Politik der DKP, in: Rische: Arbeiterklasse und EWG, S. 76-90, hier S. 86/87.

xxxivGoldberg: Integration, S. 17.

xxxvAngelika Felsko: Europa-Konzeption der SPD, in: Rische: Arbeiterklasse und EWG, S. 91-120, hier S. 112.

xxxvi.Ebenda, S. 114.

xxxviiWehr: europäische Union, S. 89.

xxxviiiEbenda, S. 81/82.

xxxixAndreas Wehr: Kommt jetzt die große Krise der EU?, in: Marxistische Blätter 1/2004, S. 29-35, hier S. 32.

xlDKP: EU-Wahlprogramm, S. 8.

xliWehr: europäische Union, S. 80/81.

xliiEbenda, S. 108.

xliiiFritz Rische: Aspekte einer demokratischen Alternative gegen imperialistische Integration, in: ders: Arbeiterklasse und EWG, S. 160-173, hier S. 168.

xlivVgl. Lenin: Staat und Revolution, LW Band 25, Berlin 1959.